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Alpencross-Reportage in der Zeitung


Münchner Merkur berichtet über unsere Alpencrosser mit ganzseitiger Reportage

Sie war ein großes Abenteuer für einen Teil unserer Schülerinnen und Schüler: die Alpenüberquerung Mitte Juli, von Garmisch an den Comer See, mit mehr als 10.000 Höhenmetern und 440 Kilometern am Ende. Und genau darüber berichtet heute der Münchner Merkur in seiner Lokalausgabe des Freisinger Tagblatts- Darin schildert Schülerin Amelie, die in Moosburg lebt, unter anderem, wie es ihr während der sieben Etappen ergangen ist und dass es durchaus Momente gab, die die 17-Jährige an ihre Grenzen gebracht haben. Wer nicht im Bereich des Münchner Merkur wohnt: Hier gibt's den Artikel als PDF, zudem haben wir ihn auf dieser Seite auch als Text abgedruckt:

Freising – Jetzt stehen wir hier, am Ufer des Comer Sees, Amelie aus Moosburg, ich und die anderen Schülerinnen und Schüler unserer Gruppe. Wir sind 440 Kilometer mit dem Mountainbike gefahren, haben in sieben Tagen mehr als 10 000 Höhenmeter überwunden und Sachen erlebt, die man sich in seinen kühnsten Träumen nicht ausmalen kann. Wir waren ganz unten und doch ganz oben. Und waren vor allem begeistert von der Schönheit der Natur im schroffen Nirgendwo der Alpen. Doch der Reihe nach.

Alles beginnt ein paar Monate zuvor am Maristen-Gymnasium Furth (Landkreis Landshut), wo ich schon länger als Lehrer arbeite und als P-Seminar in der Oberstufe eine Alpenüberquerung anbiete. Als im Spätsommer des vergangenen Jahres ein neues Seminar zusammenkommt, ist schnell klar: Heuer soll’s etwas anderes werden. Die bisherige Tour durch’s Zillertal und über die Dolomiten sind wir schon ein paar Mal gefahren. „Herr Spanrad“, kam die Truppe – darunter Amelie Schwanner aus Moosburg (17) – auf mich zu, „wir wollen woanders hinfahren, wir wollen Richtung Comer See.“ Also begeben wir uns auf die Suche nach einer geeigneten Route – und werden schließlich fündig. Ohne zu wissen, dass die Fahrt ein Erlebnis für die Ewigkeit werden würde und wir Ecken dieser Welt sehen werden, die bei einer einfachen Schulfahrt eher nicht enthalten sind. Aber warum nicht, man wächst ja schließlich mit seinen Aufgaben.

Genau das war einer der Gründe, warum sich Amelie Schwanner für das Seminar entschieden hat. „Ich wollte zum einen die sportliche Herausforderung“, gesteht die angehende Abiturientin, „und das Erlebnis an sich war schon auch ein gewisser Anreiz.“ Mit langjährigen Mitschülern ein solches Abenteuer zu starten, wo geht das schließlich? Ob Amelie zu dem Zeitpunkt schon ahnt, was sie erwarten würde auf unserer Tour? Wohl eher nicht. „Natürlich wurden wir von ehemaligen Schülern gewarnt, dass es anstrengend wird“, gibt Amelie nach der Alpenüberquerung zu. „Aber irgendwie haben wir da nicht so hingehört.“

Nach Monaten der Planung, Hotelbuchungen und Sponsorenkontakten starten wir unseren Alpencross schließlich in Garmisch-Partenkirchen. Und gleich der erste Tag ist ein Gradmesser: Bei über 30 Grad im Schatten geht’s 117 Kilometer und 1500 Höhenmeter gen Süden. Mancher aus der Gruppe kämpft irgendwann mit der Hitze, und so kommen wir langsamer voran als gedacht. Erst weit nach Mittag legen wir kurz vor Imst unsere Mittagspause ein. Wir rasten, füllen unsere Getränkevorräte auf und fahren erst am späten Nachmittag weiter. Der Sonnenuntergang hat bereits begonnen, als wir ins Verwalltal einbiegen. Wir lassen die Ortschaft Flirsch hinter uns, die untergehende Sonne küsst unsere Gesichter. Alle sind beseelt von diesem Abenteuer, ans Aufgeben denkt niemand. Auch nicht, als wir erst um 20:30 Uhr unser Etappenziel St. Anton am Arlberg erreichen. „Wenn der Alpencross so anfängt, wie werden dann erst die nächsten Tage?“, fragt Amelie sich noch, ehe sie geschafft ins Bett fällt.

Tag zwei startet mit Komplikationen: Erst reißt bei Maxi die Kette, kurze Zeit darauf bei Johannes. Vor allem die zweite Reparaturpause kostet viel Zeit, wir haben jedoch weiter das erste Zwischenziel im Kopf, die Neue Heilbronner Hütte, inmitten der berühmten Verwallgruppe. Bis dahin ist es allerdings noch ein gutes Stück. Aber genau darum geht es bei einer solchen Alpenüberquerung. Dass man immer wieder über Grenzen geht – körperliche und mentale. Jeden Tag.

„Wann kommt denn endlich diese verdammte Hütte?“ Amelie hat zwar ihren Humor nicht verloren, muss aber alle Kräfte mobilisieren, als nach der nächsten Kurve die Hütte immer noch nicht in Sicht ist. Von der Zivilisation sind wir längst meilenweit entfernt, nur noch ein schmaler Pfad führt bergauf. Wie fast immer in den kommenden Tagen. Und irgendwann erblicken wir unser Ziel auf über 2300 Metern – majestätisch und beeindrucken zugleich. Dass das noch gar nicht unser höchster Punkt während der Tour ist, wissen die Schüler zu dem Zeitpunkt nicht. Wir kehren in der Hütte ein, und der Lehrer lässt eine Runde Getränke für alle springen. Umso mehr genießen wir im Anschluss die Abfahrt nach Galtür. Die gemeinsame Pizza am Abend, sie hat vielleicht noch nie so gut geschmeckt.

War Tag zwei schon beeindruckend, soll der dritte, an dem wir nach Ischgl aufbrechen, noch einmal alles toppen. Und vor allem soll es der Tag werden, der Amelie und Co. wohl am nachhaltigsten in Erinnerung bleiben dürfte. „Als wir dann irgendwann auf über 2600 Metern standen, so weit weg von allem, das war schon beeindruckend“, schwärmt Amelie am Abend.

Von Ischgl aus geht’s bei Kaiserwetter rein ins Fimbertal. Rund um uns türmen sich bekannte Gipfel, beispielsweise das Fluchthorn, das wenig Tage zuvor noch wegen eines großen Felssturzes omnipräsent in den Medien war. Und es ist auch der Tag, an dem wir unsere Räder zum ersten Mal schieben und tragen müssen. Mit einfachem Sportunterricht hat das nichts mehr zu tun, hier kommen alle an ihre Grenzen, auch nach einer Rast an der Heidelberger Hütte. Höhenmeter un Höhenmeter geht es bergauf, wir schultern unsere Räder, schieben, wuchten, fahren wenig. Irgendwann ist er erreicht, der berüchtigte Fimberpass, auf über 2600 Metern. „Dann blickst du zurück und realisierst, dass du das alles hochgefahren bist“, staunt Amelie. Die Belohnung folgt: Wir werden jetzt zu echten Mountainbikern, fahren auf der Südseite auf feinen Trails bergab, erreichen die Schweiz und fahren hinein ins Engadin. Selbst ein Sturz kurz vor dem Ziel kann uns nicht aufhalten.

Am nächsten Tag steht uns die vielleicht größte Prüfung dieser Alpenüberquerung bevor: Bei der Routenplanung merken wir, dass wir an der Uinaschlucht, einer Klamm zwischen Engadin und Vinschgau, in die vor über 100 Jahren ein Felsengang gesprengt wurde, nicht vorbeikönnen. Bereits am Morgen sind alle nervös, warum, zeigt sich später. Am Eingang der Schlucht gibt es links ein Halteseil, rechts geht’s steil in die Tiefe. Zwar ist die ganze Uinaschlucht mit einem Geländer gesichert, dennoch verlangt sie uns alles ab. Vorsichtshalber hat an diesem Tag jeder einen Klettergurt im Gepäck, den wir nun anlegen – im Notfall können wir uns sichern. Meter um Meter geht es bergauf, still ist es jetzt. Jeder ist voll und ganz bei sich. Als wir das Ende der Schlucht erreichen, hallt das Tosen der Klamm noch lange nach.

Nach der Mittagspause öffnet sich ein beeindruckendes Hochtal vor uns. Immer wieder sind die Rufe von Murmeltieren zu hören, und die wärmenden Strahlen der Nachmittagssonne begleiten unsere Abfahrt hinunter ins Vinschgau und dann weiter nach Müstair in der Schweiz. Kurz vor den ersten Regentropfen erreichen wir unser Hotel. „Das war einfach saucool“, resümiert Amelie. „So etwas habe ich noch nie gesehen.“ Wir sind fasziniert von den Gewalten der Natur, vom Hochgebirge zwischen der Schweiz und Südtirol. Und auch wenn der Aufstieg an diesem Tag alle an ihre Grenzen bringt, „das war’s definitiv wert“.

Tag fünf unserer Tour ist eigentlich als Überbrückungstag gedacht, doch die über 1700 Höhenmeter sind ebenso fordernd. Amelies Körper mag nicht mehr so, wie sie das will. Die ersten mentalen Durchhänger kommen dazu. „Ehrlich gesagt hatte ich schon ein paar Momente, an denen ich es bereut habe, mich für den Alpencross zu entscheiden“, gibt Amelie zu. Als es an diesem Tag in brütender Hitze erst wieder nur Kurve um Kurve bergauf geht und der höchste Punkt noch meilenweit entfernt ist, fängt sich die Gruppe aber. Die Schüler motivieren und helfen sich gegenseitig. „Und dann entschädigen die schier endlosen Trails für alles“, schwärmt Amelie. „Wir waren wirklich mitten in den Bergen.“ Nicht irgendwo auf dem Alpe-Adria-Radlweg oder nahe am Brenner, nein, im Hochgebirge.

An Tag sechs – bei unserer vorletzten Etappe – schlägt das Wetter um und wir starten bei Regen. Satter Gegenwind dazu kommt, als wir von Livigno aus Richtung Lago di Bianco steuern. Es regnet und windet, wir stehen im Nirgendwo, nur noch ein dünner Pfad befindet sich unter unseren Mountainbikes. „Das war schon abenteuerlich. Wo soll da irgendein Ort kommen?“, fragt sich Amelie. Er kommt: Auf dem Berninapass fahren wir entlang des berühmten Bernina-Express’ bis zum Nobelskiort St. Moritz.

Der siebte und letzte Tag unserer Alpenüberquerung verlangt uns noch einmal alles ab. Starten wir noch bei trockenem Wetter, fängt es am Malojapass an, wie aus Kübeln zu schütten. Zur Mittagspause setzt ein kräftiges Gewitter ein. Doch pünktlich, als es auf die letzten 30 Kilometer geht, lösen sich alle Wolken auf und schönster Sonnenschein begleitet uns bis zum Comer See – dem Ziel unseres Abenteuers. Dieses Finale Grande haben wir uns mehr als verdient. Wir kommen schließlich am späten Nachmittag an – und sind überwältigt von dem, was die vergangenen sieben Tage hinter uns liegt.

„Endlich ist es vorbei“, schießt es Amelie im ersten Moment durch den Kopf. Die 17-Jährige hat gerade an den letzten Tagen doch etwas zu kämpfen gehabt, die Knie begannen zu zwicken, und auch der Kopf musste sich überwinden, immer mehr Höhenmeter zu bewältigen. Doch Amelie hat sich durchgebissen, unterstützt vom Rest der Truppe. Und darf sich nun „Alpenüberquererin“ nennen. „Saugeil, dass ich das geschafft hab“, sagt sie am Ufer des Comer Sees, den verdienten Aperol vor und ein wahres Abenteuer hinter sich. „Die Momente, an denen ich den Entschluss für die Tour bereut habe, sind jetzt weg.“

Es waren die kleinen und großen Momente, die diesen Alpencross zu einem besonderen Erlebnis gemacht haben. Die über 10 000 Höhenmeter und 440 Kilometer sowie das Drumherum – kaum eine Teerstraße bereitete uns den Weg. „Mental war es sehr herausfordernd“, resümiert Amelie Schwanner aus Moosburg. „Irgendwann wollten der Körper und der Kopf nicht mehr – aber du machst trotzdem weiter.“ Und dann war da noch die Mannschaft, „die dir sagt, dass du das packst“. Und selbst die Momente, an denen man geradezu ans Aufgeben denken musste, waren Augenblicke für die Ewigkeit, die Amelie Schwanner aus Moosburg nie wieder vergessen wird.

Gut zu wissen: Nachwievor abrufbar ist der Bergmomente-Podcast von BR-Moderator Andi Christl, in dem MGF-Lehrer Matthias Spanrad erzählt, wie es ist, mit Schülerinnen und Schülern die Alpen zu überqueren. Hier geht's lang.

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