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Traurige Liebe

Unter anderem begrüßten Prinz Asfa-Wossen Asserate (3.v.l.) am MGF: Schulleiter Christoph Müller (3.v.r.), Stellvertreterin Friederike Albiez (2.v.r.) und Ursula Schwoerer aus der Erweiterten Schullei
Unter anderem begrüßten Prinz Asfa-Wossen Asserate (3.v.l.) am MGF: Schulleiter Christoph Müller (3.v.r.), Stellvertreterin Friederike Albiez (2.v.r.) und Ursula Schwoerer aus der Erweiterten Schullei

Zahlreiche Besucher bei Lesung mit Prinz Asfa-Wossen Asserate

Als UNESCO-Projektschule sieht sich das Maristen-Gymnasium Furth in der Verantwortung, globale Themen wie Migration und Global Citizenship intensiv zu behandeln und an der öffentlichen Diskussion darüber teilzunehmen. In diesem Zusammenhang besuchte am vergangenen Montag Dr. Asfa-Wossen Asserate, Kaiserliche Hoheit und Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers Haile Selassie, die Schule, um mit zahlreichen anwesenden Gästen und den Schülern der Q11 seine Thesen über die zunehmende Auswanderung aus Afrika, die er als „Massenexodus“ bezeichnet, und die aus seiner Sicht erforderlichen Gegenmaßnahmen zu diskutieren. Umrahmt wurde die Veranstaltung von einer musikalischen Reise durch Afrika, die Herr Matthias Schäffer, Musiklehrer am MGF, erstellt hatte und die die Gäste auf die Gesprächsinhalte einstimmte.

Der Schulleiter des Maristen-Gymnasiums, Christoph Müller, begrüßte Dr. Asserate mit dem Verweis auf die zahlreichen Krisenherde auf dem riesigen Kontinent Afrika. Mit der Lösung der Konflikte sei Afrika, aber auch die Europäische Union augenscheinlich überfordert, so Müller, der dann auf das „Forum Europa am MGF“ verwies und die Verbindung zwischen den Kontinenten Afrika und Europa näher beleuchtete. Dass diese Verbindung nur vom Thema Flucht geprägt sei, könne nicht angehen und man müsse gerade den jungen Leuten ein anderes Bild von Afrika vermitteln.

Dr. Asfa-Wossen Asserate, ein ausgewiesener Experte und Afrika-Berater zahlreicher deutscher Unternehmen, las zunächst aus seinem Buch „Die neue Völkerwanderung – Wer Europa bewahren will, muss Afrika retten.“ Ganz deutlich wird in diesem Buch die große Liebe zu „seinem“ Kontinent Afrika und insbesondere zu seinem Heimatland Äthiopien, das Dr. Asserate in den 1970er Jahren verließ, um in Deutschland zu studieren, und das er aufgrund der Revolutionswirren und der Einbürgerungsproblematik erst 1991 wieder betreten durfte. „Auch ich war ein Flüchtling“, so Asserate, und als solcher könne er sich gut in die Lage der vielen jungen und exzellent ausgebildeten Afrikaner versetzen, die derzeit keine Zukunftschancen auf ihrem Kontinent sehen und ihr Wohl in der Flucht nach Europa suchten. Wie Europa und insbesondere die Europäische Union den Hunderttausenden von Flüchtlingen entgegentrete, sei einer der spannendsten politischen Fragen der Gegenwart. Das Thema Europa wurde von der Moderatorin des Abends Ursula Schwoerer, am Maristen-Gymnasium zuständig für den Bereich Internationales, aufgegriffen im Hinblick auf das „Forum Europa am MGF“, das am Maristen-Gymnasium Furth gegründet wurde, um das Interesse der Schüler an Europa zu wecken und ihnen ein positives Bild von Europa zu vermitteln. Dr. Asfa-Wossen Asserate sieht Europa aber durchaus negativ; für ihn treiben die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union im Moment auseinander und Grenzen werden auf- statt abgebaut. Nachdem in Deutschland im Jahr 2015 der Begriff „Willkommenskultur“ angesichts der ankommenden Flüchtlingsströme geprägt wurde, ist schon kurze Zeit später nur mehr wenig davon zu spüren, was hauptsächlich am fehlenden Zusammenhalt der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union liege.

Ein weiteres wichtiges Kapitel widmet Dr. Asfa-Wossen Asserate in seinem Buch wirtschaftlichen Fragen und dem Thema Entwicklungshilfe. Aus Entwicklungshilfe müsse dringend intensive Entwicklungszusammenarbeit werden, denn mit Spendengeldern einerseits und einer von Grund auf falsch angelegten subventionierten Handelspolitik der EU andererseits könne der afrikanische Kontinent auch in Zukunft nicht auf eigenen Füßen stehen. Dies ist eine Meinung, die Dr. Asfa-Wossen Asserate nicht alleine vertritt, auch der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller teilt sie dezidiert. Die europäische Agrarindustrie überflute im Moment die Entwicklungsländer mit billigen Produkten, beispielsweise mit Geflügelresten, die in Europa keinen Absatzmarkt haben, wodurch afrikanische Kleinbauern ihre Existenzgrundlage verlieren.

In der hochspannenden Unterhaltung mit Herrn Dr. Asfa-Wosserate sprach die Moderatorin auch weitere Themen an, die eine Querverbindung zur täglichen Arbeit und zum internationalen Engagement des Maristen-Gymnasiums beinhalten, wie die Rolle des Fairen bzw. Unfairen Handels – das Maristen-Gymnasium wurde jüngst am letzten Freitag offiziell zu einer „Fair Trade School“ erklärt – , die Frage, wie eine katholische Schule sich generell dem Thema Entwicklungshilfe nähern kann – 220 Millionen Afrikaner hungern! - und natürlich das Thema junge Menschen und Bildung überhaupt, nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der Ausbildung und Förderung von jungen Mädchen und Frauen. Afrikanische Frauen seien überhaupt, so Dr. Asfa-Wosserate, der „Schlüssel zu Zukunft“; die Säuglings- und Kindersterblichkeit beispielsweise sinke rapide je höher der Bildungsgrad der Mütter sei und Frauen seien auch die verlässlicheren Partner bei der Rückzahlung von Mikrokrediten.

Wie kann man Afrika also wirksam helfen? Keine alleinseligmachende Antwort fanden die Gesprächspartner am Ende ihrer Diskussion, an der sich auch Schüler sehr interessiert beteiligten, auf diese schwierige Frage. Es gebe aber durchaus Lösungsansätze, allen voran gute Wirtschaftsbeziehungen und die Förderung von Privatinvestitionen in Afrika, ein Thema, das derzeit auch in der Politik in aller Munde ist. Daneben sei es unabdingbar, auf dem Kontinent demokratische Regierungen zu fördern, denn Korruption und Vetternwirtschaft machen eine erfolgreiche Zukunft Afrikas schier unmöglich. Ausbau der Infrastruktur, Vergabe von Mikrokrediten an Kleinstunternehmen, sinnvoller Ausbau der Landwirtschaft, Förderung der Eigeninitiative afrikanischer Partner und Einhaltung von Sozial- und Nachhaltigkeitsstandards seien weitere Schritte auf einem Weg in die richtige Richtung.

Das Maristen-Gymnasium Furth dankt Herrn Dr. Asfa-Wossen Asserate ausdrücklich für einen hochinformativen Abend und eine durchaus kontrovers geführte Diskussion, die allen Beteiligten einen ganz neuen Blickwinkel auf unseren Nachbarkontinent gab.

Fotos: sh, cm

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