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Wege der Veränderung


„Changes“-Kongress am MGF war voller Erfolg

20 Monate Pandemie liegen hinter uns, genug Zeit also, um eine Bilanz zu ziehen: Wie hat sich Corona ausgewirkt auf die Bildungs- und Erziehungslandschaft, aber auch auf Politik und Wirtschaft? Dazu veranstaltete das Maristen-Gymnasium am Freitag in Zusammenarbeit mit dem Katholischen Schulwerk in Bayern einen digitalen und analogen Kongress mit Referentinnen und Referenten aus der Politik, der Wirtschaft, aber auch aus viele Bereichen von Bildung und Erziehung. Einig waren sich am Ende alle: Es geht und ging vor allem um den Menschen.

Wenn einer einen Einblick hat in politische Entscheidungen, dann er: Dr. Florian Herrmann, Leiter der Bayerischen Staatskanzlei und Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien, wurde recht bald zum Leiter des Krisenstabs in der Staatskanzlei ernannt. Und deswegen konnte Dr. Herrmann, der auch Schirmherr des Kongresses war, ganz gut berichten, wie es politischen Entscheidungsträgern seit Februar 2020 erging. Und Herrmann rechtfertigte auch viele der getroffenen Entscheidung. „Studien zeigen heute, dass durch den bayerischen Weg mindestens 100.000 Menschen gerettet wurden.“ Zudem zeigte der Staatsminister die Schwierigkeit der politischen Arbeit auf, verglich diese mit „beweglichen Schützen, die auf bewegliche Ziele“ zielen würden. Jedoch räumte Herrmann auch Versäumnisse ein, etwa bei der Digitalisierung der Schulen und Gesundheitsämter, „wo in den letzten Jahren sicher nachlässig gearbeitet wurde.“ Überdies zeigte der Leiter der Staatskanzlei Verständnis für den Ärger der Schulen, dass Infos erst sehr spät vor Ort eingetroffen seien, Kultusministerielle Schreiben (KMS) etwa erst am Freitagnachmittag verschickt wurden, „obwohl die Entscheidung über Neuerungen bereits am Dienstag getroffen wurde.“ Hier, konnte sich Herrmann einen Seitenhieb nicht verkneifen, „hab ich auch gelernt, dass über dem Grundgesetz noch die KMS stehen.“ Vor allem aber wollte Herrmann am Freitag seinen Dank aussprechen: an die Mitglieder der Schulfamilien für ihre extreme Leidensbereitschaft während der Pandemie, „etwa die Lehrkräfte, die Extremes geleistet haben.“ Am Ende rief Staatsminister Dr. Herrmann auch dazu auf, Positives aus dieser Zeit mitzunehmen. Man solle die knapp zwei Jahre nicht als verlorene Jahre sehen, „denn nur ein positiver Impuls bringt uns weiter.“

Eingeladen und am Freitag dann offiziell begrüßt hatte zum Kongress Schulleiter Christoph Müller. Und der Oberstudiendirektor legte zum einen dar, warum es überhaupt zur Veranstaltung gekommen war. Nach der langen Pandemie-Zeit, der Phase der Neuausrichtung und der Umstrukturierung sei es eben an der Zeit, Bilanz zu ziehen „und zu schauen, wie es wo anders gelaufen ist.“ Und deswegen, so Müller, habe sich auch der Titel immer wieder geändert, „anfangs ging es nur um Bildung und Erziehung“. Jedoch erschien es, auch für das Organisationsteam, irgendwann unerlässlich, auch auf andere Bereiche zu blicken. „Und der Sinn eines Kongresses ist es vor allem auch, sich auszutauschen.“

Für den Mitveranstalter des Kongresses, das Katholische Schulwerk in Bayern, begrüßte Direkter Dr. Peter Nothaft alle Beteiligten. Und auch Dr. Nothaft stellte den Menschen in den Mittelpunkt des Rückblickes. Denn bei allen Erfordernissen, bei allen technischen Quantensprüngen etwa im technischen Bereich, sei es wichtig, „den Menschen im Blick zu behalten.“ Die Frage sei nun, wie das gelingen können, so Nothaft weiter – und gab den Zuhörern gleich einen Vorschlag mit auf den Weg. Nämlich mithilfe von Psalm 8, „wir müssen uns eingebettet sehen in der Kraft des Schöpfers“, erläuterte Dr. Nothaft, „darauf können wir vertrauen.“

Für die Schulstiftung der Diözese Regensburg referierte Günter Jehl, neuer Direktor der Stiftung. Und auch Jehl, selbst langjähriger Lehrer und Schulleiter, stellte ebenfalls den Menschen in den Fokus. Es sei zwar, gerade in der aktuellen Zeit, so Jehl, wichtig, in die Ausstattung der Schulen zu investieren. Jedoch sei es auch wichtig, nachhaltig zu denken, den jungen Menschen eine Richtschnur mit an die Hand zu geben, „damit diese wieder Hoffnung schöpfen können.“ Das können etwa gelingen mit einem authentischen Glauben, der nicht übergestülpt ist“, so Jehl abschließend.

Mit einem Schüler-Zitat stieg indes Peter Brendel, Ministerialbeauftragter für die Gymnasien in Niederbayern, ein. Und zwar habe ihm ein Schüler gesagt, er hätte so viel Kontakt wie noch nie zu seinen Lehrkräften gehabt – und zwar während der Pandemie. Das habe erstaunt, habe aber doch gezeigt, was die 20 Monate hervorgebracht hätten. „Kreative Medienarbeit hat eine große Rolle gespielt.“ Und auch Brendel stellte heraus, dass es bei aller Digitalisierung wichtig war und immer noch sei, den Menschen, vor allem eben Schülerinnen und Schüler, zu beachten. „Trotz der Distanz war immer menschliche Nähe möglich.“ Wie etwa am MGF mit den Auszeittipps von Schulpsychologin Maria Rauscher oder den Angeboten von Schulpastoral-Chefin Kerstin Geneder, was der MB lobend hervorhob.

Einen wissenschaftlichen Blick gab indes Prof. Dr. Ursula Münch, Direktorin der Akademie für politische Bildung in Tutzing. Und Münch warb dafür, dass die politischen Entscheidungen keine willkürlichen waren und seien, vielmehr im „Bereich der Kontingenz liegen“, also in einem ambivalenten Bereich, in dem abgewogen werden müsse. „Politische Entscheidungen müssen meist als offener Möglichkeitsraum gesehen werden“, erläuterte Münch weiter. Weiterhin zeigte die Direktorin auf, was die Pandemiezeit ebenso hervorgebracht habe. Nämlich zum einen der Wunsch der Menschen nach Autorität, „was mich sehr beunruhigt.“ Und zudem den Wunsch der Menschen nach der letzten Weisheit. Ebenso für den Bereich Wissenschaft refertiert Prof. Dr. Maria Eisenmann, Inhaberin des Lehrstuhls für die Didaktik moderner Fremdsprachen an der Universität Würzburg. Und auch hier ging es unter anderem: um den Menschen, in diesem Fall die zahlreichenden Studierenden. Zudem stellte Dr. Eisenmann ebenfalls die Herausforderungen herauf, der Lehrende und Studierende an den Hochschulen zu meistern waren.

Aus der Wirtschaft berichtete am Freitag zum einen Per Breuer, weltweiter Personalchef der Berateragentur Roland Berger. Und Breuer zeigte zum einen ganz pragmatische Dinge auf, die auch sein großes und weltweit agierendes Unternehmen gefordert hatten, beispielsweise die Beschaffung von Masken zu Beginn der Pandemie. Doch auch der Roland-Berger-Vertreter stellte den Menschen in den Fokus seines Rückblickes. Etwa bei der Kommunikation, die in einer Beratungsagentur existentiell sei. „Bei Bestandskunden funktionierte das noch recht gut, bei neuen aber nicht mehr wirklich.“ Zudem zeigte Breuer auf, wie es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Agentur ergangen sei, wo die Pandemie, etwa durch Homeoffice, einen Mehrwert gebracht habe, wo es aber auch Defizite gab. Ebenso aus der Wirtschaft berichtete Klaus-Peter Gölz, Executive Partner bei IBM. Gölz ist dort für die Digitalisierung des Unternehmens zuständig – und konnte deswegen quasi „aus erster Hand“ aus der Pandemiezeit berichten. Und auch bei Gölz wurde rasch klar, dass es vor allem um den Menschen, um die Mitarbeiter ging. „Wir wurden auch völlig überrascht“, berichtete Klaus-Peter Gölz, „durch viel Kreativität, auch von den Mitarbeitern selbst, konnten wir aber reagieren.“ Der gemeinsame Austausch wurde ebenso wichtig wie die Sorge des Unternehmens, Mitarbeiter aus gewissen Regionen der Welt zurück zu holen. Beachtenswert auch: Vieles wurde nicht vom Unternehmen angeordnet, „vieles kam von den Mitarbeitern selbst“, stellte Gölz lobend heraus. Und IBM war irgendwann direkt in die Pandemie involviert, als das Unternehmen innerhalb von acht Wochen die CovPass-App zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Doch auch auf den Schulbereich ging Gölz ein. Zwar sei die technische Ausstattung, etwa mit WLAN, unverzichtbar. „Jedoch muss auch die didaktische Ausrichtung darauf angepasst werden.“

Aus der Sicht einer direkt betroffenen Gruppe berichtete am Freitag Sandra Kluknavsky, Abiturientin des Jahres 2021, die fast die komplette Oberstufe über mit unter Corona-Bedingungen lernen musste. Und auch die Absolventin blickte auf den Menschen – in Form der von der Pandemie besonders betroffenen Familien. Etwa, als es darum ging, Homeoffice und Schule zu Hause in Einklang zu bringen, bei der Beschaffung von digitalen Geräten, die jedoch vermindert produziert wurden, oder auch beim Versuch, eine stabile Internetverbindung zu bekommen. „Und ich lerne diese Schwierigkeiten auch heute noch kennen“, gab Kluknavsky zu. Beispielsweise beim Versuch, für das Studium in Innsbruck einen einfachen Drucker zu kaufen. Doch auch unsere ehemalige Absolventin stellte heraus, etwas Positives aus der Pandemie mitzunehmen. „Bei Changes kann man auch ganz leicht Chances lesen.“

Gezielt auf die Rolle von schulischer Bildung bei der Wahrung von gesellschaftlichem Zusammenhalt ging Jérémie Gagné ein, Projektmanager bei More in Common in Berlin. Wichtig sei es, so der ehemalige MGF-Absolvent, trotz Popularisierung und Vereinzelung den Ton zu wahren, damit am Ende „das Verbindende bestehen bleibt.“ Aufgabe von Bildung sei es nun, darauf einzuwirken, fuhr Gagné fort. Etwa anzusprechen, dass es momentan eine komplexe Gesellschaft gebe, die auch das Bedürfnis nach Zusammenhalt habe. „Dafür brauchen wir ein Gespür.“ Zudem rief Gagné dazu auf, Schule als Lernort für demokratische Bildung zu sehen „und auch entsprechende Angebote zu stellen in der Schule“. Und abschließend gehe es auch um die Art und Weise miteinander zu sprechen. „Denn hier“, schloss Jérémie Gagné, „gibt es mittlerweile eine toxische Debattenkultur.“

Eine internationale Sicht auf die Pandemiezeit und die Herausforderungen gaben den Zuhörerinnen und Zuhörern am Freitag dann noch drei Mitglieder des internationalen Maristen-Netzwerks, Aisling Demaison (Frankreich), PJ Mcgowan (Irland) und Tony Leon (Australien). Zunächst stellten Demaison und Mcgowan das Maristen-Netzwerk vor, dass im Laufe der letzten zehn Jahre vor allem neu strukturiert und vergrößert wurde. Während der Pandemie-Zeit bestand nun unter anderem die Aufgabe darin, dieses Netzwerk aufrecht zu halten. „Unsere Aufgabe war es, auch international, in Verbindung zu bleiben mit den Mitgliedern der Maristen-Familie“, erläuterte Aisling Demaison. Am Ende, und das spiegelte sich auch mit den anderen Referentinnen und Referenten, „hatten wir alle die gleichen Herausforderungen zu meistern.“ Tony Leon aus Australien schilderte, dass es in Pandemiezeiten klarer Kommunikation und Anweisungen bedürfe, etwa für Eltern, Lehrer und Schüler, um sicher durch die Zeit zu kommen. Zudem seien in solch einer Phase kreative Aktionen gefragt. 

Umrahmt wurde der Kongress am Freitag durch einen religiösen Impuls zu Beginn der Veranstaltung und mehrere musikalische Beiträge. Kerstin Geneder, ESL-Verantwortliche für den Bereich Schulpastoral, und Stephanie Peis (Fachleiterin Religion) hatten allen Kongressbesuchern bei der Registrierung einen Klebepunkt gegeben, mit dem sie sich auf einem hell-dunklen Kunstdruck einordnen sollten, wo sie sich aktuell in Bezug auf Corona sehen. Und alle bekamen den Auftrag, für sich zu evaluieren, ob sich im Verlauf der Veranstaltung etwas daran verändert hat. Musikalisch vollzog der Kongress ebenfalls einen „Change“: Begann die Veranstaltung noch düster, etwa mit den „Metamorphosen II“ von John Cage, sollte sich auch hier ein Wandel vollziehen – bis zum Ende des Tages, wo eine von Schülerinnen und Schülern eingesungene Interpretation von David Bowies „Changes“ erklang.

Ein würdiger Abschluss für einen gelungenen Kongress, der zwar – berechtigter Weise – durchaus neue Fragen aufwarf, vor allem aber viele Antworten gab. Und die Erkenntnis: Der Mensch steht im Zentrum aller Bemühungen bleiben, egal ob im Bildungsbereich, der Politik oder bei wirtschaftlichen Interessen.

Vielen Dank an alle Beteiligten, an alle Referentinnen und Referenten, an das #teamMGF fürs Organisieren, an unsere Schülerinnen und Schüler der Q11 und Q12 fürs tatkräftige Mithelfen und an alle Besucherinnen und Besucher.

Text/Fotos: Matthias Spanrad

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